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Gastbeitrag Citizen Science

Citizen Science in der Archäologie

von Pascal Geiger / www.bergische-historiker.de. Die Weitergabe von Rechten an Dritte bedarf der gesonderten Zustimmung.

Historisch gesehen befinden wir uns derzeit im Informationszeitalter. Das Internet, und die damit verbundene globale Vernetzung, geben uns heute einen nie dagewesenen Zugriff auf unüberschaubare Mengen an Informationen jeder Art und Qualität. Jeder verfügt somit nun auch über die Möglichkeit sich Fachwissen „von zuhause aus“ anzueignen. Die Konsequenz daraus ist, dass auch Wissenschaft neu gedacht werden muss. Die Geburtsstunde von „Citizen Science“.

Citizen Science, wörtlich übersetzt „Bürger-Wissenschaft“, ist, wenn man es sich recht überlegt, schon ein seltsamer Begriff, finden Sie nicht? Man könnte glauben, es handele sich um eine besondere, zielgruppenorientierte Form der Wissenschaft oder eine Wissenschaft, die sich primär mit Bürgern beschäftigt. Tatsächlich Bezeichnet der Begriff allerdings jene Wissenschaft, an welcher sich Bürger beteiligen, was unweigerlich zu der Frage führt, worin denn nun der Unterschied zur akademischen Wissenschaft besteht und was Citizen Science eigentlich genau ausmacht.

Was ist Citizen Science?

Für Wissenschaft gibt es viele Definitionen. Einige würden den Rahmen hier deutlich sprengen, anderen wird es stets an etwas mangeln. Ich persönlich bevorzuge einfache, prägnante und möglichst universal anwendbare Definitionen, weshalb die Folgende zu meinen Favoriten gehört:

Im Unterschied von ungeordneten Wissen (Erfahrungs-) Wissen (Empirie) achtet Wissenschaft nicht bloß auf das Dass, sondern auch auf das Warum, die Gründe, Ursachen der Dinge“ ( siehe Toellner-Bauer, Ulrike).

Arten von Citizen Science

Möchte man Citizen Science genauer definieren, so lässt sich die „Bürger-Wissenschaft“ in zwei Kategorien einteilen. Der Wissenschaftstheoretiker Prof. Dr. Peter Finke bezeichnet diese als „Citizen Science light“ und  Citizen Science proper“( siehe Finke, Peter: Citizen Science).

Die erste Kategorie ist jene, in der sich Bürger an Wissenschaft nur unterstützend beteiligen. Diese Beteiligung entsteht oftmals aber erst durch Nachfrage, bzw. auf Einladung der akademischen Wissenschaft. Ich kann hierzu auch direkt mit einem guten Beispiel dienen. Ich betreibe eine Wetterstation in Wuppertal-Sonnborn, welche etwaige Daten erfasst, wie z.B. Luftdruck, Temperatur, Niederschlagsmenge, Windrichtung und Windstärke. Diese Daten werden im Minutentakt an etwaige Wetternetzwerke weitergegeben. So beteilige ich mich u.a. am Wetternetzwerk von Wetter.com, ebenso wie viele andere, die Spaß an dieser Technik haben. (Weitere Infos gibt es hier: http://www.bergische-historiker.de/mehr/wetterstation-wuppertal-sonnborn).

Das kann man bereits als Citizen Science werten. Die von Ehrenamtlichen erfassten Daten bereichern die Netzwerke um zusätzliche Informationen und erlauben genauere Berechnungsmodelle. Meteorologen sind damit in der Lage bessere Vorhersagen zu treffen, gemachte Vorhersagen zu überprüfen und ebenso langfristig das Klima selbst besser zu erforschen. Die eigene investierte Arbeit hat somit direkte Auswirkung auf wissenschaftliche Resultate. Natürlich ist meine Wetterstation da nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Diese Art der Beteiligung an Wissenschaft, d.h. diese Form von Citizen Science, ist die meist vorkommende Kategorie.

Der anderen Kategorie ist die Form der Beteiligung zuzuordnen, welche eine eigenstände Erforschung vorsieht. Hierzu kann man überwiegend die Arbeit unserer Gruppe (www.bergische-historiker.de) zählen und zugleich die Verknüpfung zur Archäologie wieder herstellen. Natürlich beteiligen wir uns auch auf Einladung an Projekten. So können wir zwar beispielsweise bei Baubegleitungen oder Grabungen mit unseren Geräten unterstützen, was wiederum der ersten Kategorie zuzuordnen wäre. Im Gegensatz dazu führen wir aber auch eigene Forschungsprojekte durch, d.h. wir stellen eigene Recherchen an, sammeln Informationen, Belege und Material, um etwaige historischen Sachverhalte rekonstruieren / beleuchten zu können. Hierbei erheben wir selbst den Anspruch möglichst wissenschaftlich vorzugehen, d.h. wir möchten erreichen, dass unsere Resultate offiziell anerkannt werden. Wenn man so will, ist diese Form von Beteiligung an der (archäologischen) Wissenschaft eher der zweiten Kategorie zuzuordnen.

Das Problem

Es könnte alles so schön sein, doch selbstverständlich ist die Sache mit Citizen Science immer wieder ein Streitthema, insbesondere auch innerhalb der Archäologie. Ein „Hobby-Astronom“ kann beispielsweise so viele eigene Forschungen anstellen, wie er möchte. Es wird ihm nicht gelingen etwas hierbei zu zerstören. Ein „Hobby-Archäologe“ hingegen nimmt ggf. Eingriffe in das Bodenarchiv vor – und das ist problematisch. Nicht allen ist hierbei bewusst, dass jeder Eingriff eine Beschädigung / Zerstörung bedeutet. Einzig eine fachlich korrekte Dokumentation und genaue Einmessung erlaubt es, dass auch andere im Anschluss weiterhin die Möglichkeit besitzen, den Sachverhalt zu erforschen.

Die Dokumentation ist einigen sog. „Hobby-Archäologen“ jedoch egal, denn mit ihr und deren Auswertung beginnt eine mühselige Geduldsarbeit. Zudem würde jemand, der wissenschaftlich arbeitet, zunächst sehr genau abwägen, ob ein Eingriff (=Zerstörung) überhaupt sinnvoll ist. So entpuppen sich viele vermeintliche „Hobby-Archäologen“ am Ende doch nur als Sammler und dergleichen. Und das ist auch der Grund dafür, warum sich die Astronomie nicht darum schert, wer sich „Hobby-Astronom“ nennt, während die Archäologie den Begriff „Hobby-Archäologe“ hingegen häufig kritisch betrachtet.

Beteiligung willkommen!

Wer sich jedoch ernsthaft für Archäologie interessiert, sich daran beteiligen möchte und insbesondere deren wissenschaftlichen Wert in den Vordergrund stellt, wird nicht auf verschlossene Türen stoßen. Die Bodendenkmalpflege bietet viele Bereiche, in denen man sich ehrenamtlich beteiligen kann. Eine gute Anlaufstelle hierfür sind örtliche Geschichtsvereine, sowie die zuständigen Denkmalbehörden.

Literatur

Toellner-Bauer, Ulrike:Einführung in die Wissenschaft. Abgerufen auf: https://www.fh-muenster.de/gesundheit/downloads/personen/toellner-bauer/Einfuehrung_Wissenschaft.pdf. Folie 5. 27.07.2017)

Finke, Peter: Citizen Science. Das unterschätzte Fachwissen der Laien. Oekom Verlag. München. 2014. S 41- 44.

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2 Gedanken zu „Gastbeitrag Citizen Science“

  1. In der Astronomie nennt man es Amateur-Astronom (nicht Hobby-A.); und diese sind anerkannt, weil sie mit ihren Mitteln in der Weite des Sternenhimmels signifikante Beobachtungen liefern die in de engen Zeittaktung der Observatorien gar nicht geleistet werden können.
    Den Begriff Citizen Science (light und proper) finde ich genau wie Sie auch etwas sperrig und unglücklich.

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