In unserer Reihe “Quo vadis Archäologie?” haben wir bisher mit Museen und Studierenden Interviews geführt um in Erfahrung zu bringen, wie die Covid19 Pandemie und der Umgang mit den damit verbundenen Maßnahmen Veränderungen in der archäologischen Welt auslösen.
Die privatwirtschaftliche Archäologie, die in diesem Interview angerissen wird, umfasst jegliche Dienstleistungen rund um Archäologie von Beratung, Illustration, Tourismus, Grabungen, Dokumentationen, Kommunikationsbereiche. Für unser erstes Interview haben wir mit der Grabungsfirma SPAU gesprochen.
SPAU ist eine Grabungsfirma, die in Hessen ansässig ist. Ihre Angebote umfassen baubegleitende archäologische Ausgrabung, Dokumentation, bauvorbereitende Untersuchungen, Vermessung und Planerstellung mittels Tachymeter und QGIS oder AutoCAD Einsatz, fachgerechte Dokumentation in Absprache und nach Vorgaben der jeweiligen Denkmalschutzbehörde, Fundbergung, Fundversorgung und Fundinventarisierung unter Berücksichtigung restauratorischer Ansprüche, sowie Vorträge und archäologische Führungen. Ebenso hat die Firma SPAU als erste Grabungsfirma in Deutschland einen Betriebsrat gegründet.
Wir danken Sascha Piffko für das ausgiebige Interview!
Interview
Anarchaeologie: Vor welchen Problemen stehen Grabungsfirmen, bzw. steht ihr, seit Beginn der Pandemie? Funktioniert Homeoffice?
Sascha Piffko (SPAU): Die erste Coronawelle kam recht schnell und wir waren in vielerlei Beziehung etwas ratlos. Am Schlimmsten hat es natürlich unseren Tourismuszweig getroffen. Wir hatten für 2020 ein ausgefeiltes Tourismuskonzept entwickelt und viel Zeit und Geld darin investiert. Wir versuchten, die betroffenen Mitarbeiter*innen in Kurzarbeit unterzubringen, aber die “schnellen und unbürokratischen Hilfen” wurden uns nicht bewilligt wegen eines Fehlers auf dem Postweg. Dadurch hatten wir schmerzliche Verluste, da wir natürlich die Löhne weiter zahlen. Inzwischen konnten wir die meisten auf unseren Grabungen unterbringen, die Leiterin der Tourismusabteilung verwaltet derzeit für uns alles, was mit der Coronaepandemie zu tun hat.
Schlimm war auch die Zeit des Home-Schoolings. Ich selbst habe zwei schulpflichtige Kinder, die wir zuhause unterrichten mussten, was für mich persönlich zu einer harten Belastung wurde neben der Leitung einer Firma mit fast 50 Angestellten in einer schweren Krise. Aber auch für die anderen Mitarbeiter*innen mit Kindern wurde es schwer, denn wie sollen Mitarbeiter*innen, die auf einer Grabung arbeiten, gleichzeitig ihre Kinder betreuen? Wir verteilten möglichst viel Aufgaben ins Home-Office für die Betroffenen, aber dadurch hatten wir starke Personalverluste auf den Grabungen, was natürlich zu Umsatzeinbußen führte. Hinzu kamen all jene, die wegen Schnupfen oder leichten Halsschmerzen krank geschrieben wurden oder wegen Corona-Verdachtsfällen in ihrer Umgebung besser zuhause bleiben sollten. Aufgrund unserer Firmengröße übernimmt die Kosten nicht die Krankenkasse, sondern die SPAU GmbH musste die Löhne weiterzahlen. Auch hatten nicht alle Auftraggeber Verständnis für die Personaleinbußen, insbesondere von Kommunen gab es Beschwerden über die Personalprobleme. Das hat mich sehr zornig gemacht, weil die Probleme durch die kommunalen Kindergarten- und Schulschließungen ja erst ausgelöst wurden.
Meine Mitarbeiter*innen wollten dieses Jahr andererseits nur ungern Urlaub nehmen, dadurch entstand ein Urlaubsstau, den wir nun abbauen müssen.
Große Probleme bringen uns derzeit die Anfahrten zu den Grabungen mit den Firmenwagen, aber auch die Pausenräume, unsere Büros und die Werkstatt, wo ja die Mitarbeiter aufeinander treffen. Im Sommer war das noch einfach, alle machten ihre Pause im Freien, auch im Büro saßen wir meist auf der Terrasse oder vor den Firmengebäuden. Jetzt im Winter wird es schwierig, die Kontakte zu vermeiden. Wir können auch viele Innendienstarbeiten nicht ins Home-Office mitgeben, zum Beispiel Restaurierung, Fundbearbeitung, Lagerverwaltung.
Anarchaeologie: welche Optionen haben Grabungsfirmen wie eure?Kurzarbeit?
Sascha Piffko(SPAU): Prinzipiell haben wir Arbeit ohne Ende, die Auftragsbücher sind voll. Deswegen ist Kurzarbeit für die Grabungssektion keine Option. Wir verlagern derzeit viel Arbeit ins Home-Office. Das schmerzt mich sehr, denn eigentlich hatte ich immer für eine Trennung von Privatleben und Arbeitsplatz gekämpft, hatte angenehme Arbeitsplätze mit Computern, Pausenraum, Toiletten, Duschen und Luxuskaffeemaschine geschaffen und nun sollten wir wieder wie früher zuhause arbeiten. Ein Teil von uns arbeitet noch in den Büros, aber die meisten Innendienstler sind nun zuhause, wir arbeiten über Skype zusammen, gelegentlich holt man sich seine Post in der Firma ab.
Auf den Grabungen arbeiten wir in kleinen Gruppen, die voneinander getrennt Pausen machen und wir versuchen in festen Teams zu arbeiten um bei Quarantänefällen die Ausfälle möglichst gering zu halten. Natürlich haben wir überall Desinfektionsmittel, die Masken sind Trachtbestandteil geworden und wir halten uns ständig über die aktuellen Richtlinien auf dem Laufenden.
Durch unseren Betriebsrat und die Coronabeauftragte sind wir recht flexibel in der Umsetzung der Richtlinien. Inzwischen haben wir auch adäquate Lösungen für die Quarantäne- und Kinderbetreuungsgeschichten gefunden. Ich hatte schon vor zwei Jahren begonnen, für Krisenzeiten eine Finanzreserve aufzubauen, die uns für einige Zeit über Wasser halten soll. Dieses Fettpolster hat uns eine gewisse Ruhe geben können und die Verluste abgefangen.
Anarchaeologie: droht mehr Ausbeutung/Verlust von Jobs oder eher eine Zunahme von Aufträgen?
Sascha Piffko (SPAU): Die Auftragslage ist weiterhin stabil. Zahlreiche Großprojekte werden noch einige Jahre den Bedarf an Ausgräbern aufrecht erhalten, selbst wenn die Konjunktur einbrechen sollte. Einige Firmen haben zwar derzeit trotz der starken Auftragslage Probleme, hier sehe ich aber eher Strukturprobleme in den Firmen selbst, bzw. in unserem Berufsstand selbst. Ein Problem sehe ich beim Home-Office, da natürlich nicht jeder einen adäquaten Arbeitsplatz für Fund- und Dokumentationsbearbeitung vorweisen kann. Auch besteht natürlich für die Mitarbeiter*innen in Grabungsfirmen auch ein hoher Druck aufgrund der Angst vor Jobverlust, der durch die derzeitige Krise noch verstärkt wird.
Firmen, die ihre Mitarbeiter nicht fest angestellt haben, haben natürlich jetzt einen deutlichen Vorteil. Insbesondere bei Werkvertragsvereinbarungen. Je mehr Risiko auf den Arbeitnehmer verlagert ist, desto höher ist die Resistenz gegen Krisen für den Arbeitgeber. Da die Bereitschaft zur Selbstausbeutung bei Archäologen sehr hoch ist, wird sich am Wettbewerbsvorteil dieser Firmen vermutlich in der Zukunft wenig ändern.
Auf der anderen Seite habe ich auch festgestellt, dass einige Arbeitnehmer dazu neigen, sich zwei oder drei Rettungswesten zu sichern, wenn das Schiff durch den Sturm segelt, auch wenn dann andere ertrinken müssen. Die meisten meiner Mitarbeiter haben in diesem Jahr aber wirklich Großartiges geleistet, Disziplin und Stärke bewiesen und in der Not zusammengehalten. Deswegen werden wir auch trotz der wirtschaftlichen Verluste den Mitarbeitern eine Corona-Prämie auszahlen, sie haben es sich verdient. Leider muss ja die gemeinsame Weihnachtsfeier entfallen.
Schlussendlich kann ich sagen, dass für mich als Unternehmer das Jahr 2020 das anstrengendste und härteste meiner Laufbahn gewesen ist. Ich bin dankbar und glücklich, dass trotz der Firmengröße bisher niemand in unserem Unternehmen an Corona erkrankte und auch meine Familie verschont blieb. Und ich bin stolz, dass wir fast ohne finanzielle Unterstützung des Staates durch dieses Jahr gekommen sind, sogar andere, die es härter getroffen hat, unterstützen konnten, zum Beispiel durch den DGUF Hilfsfond für krisengeschädigte Studiernden.
Haben Sie/ihr andere oder ähnliche Erfahrungen während der Pandemie gemacht? Kontaktiert uns gerne! Wir möchten ein möglichst breites Feld an Erfahrungen sammeln.
kontakt@anarchaeologie.de
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