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Corona und Archäologie – Quo vadis? (Teil 4)

DOZIERENDE

Das Wintersemester 2020/21 und voraussichtlich ebenso das Sommersemester 2021 werden in allen Bereichen des universitären Lebens von der Corona-Pandemie bestimmt (werden). Im nunmehr vierten Teil unserer Reihe „Corona und Archäologie – Quo vadis?“ befassen wir uns mit dem Blickwinkel der Dozierenden bzw. des sogenannten akademischen Mittelbaus.

Wir sind an verschiedene Dozierende herangetreten und haben ihnen Fragen gestellt, die sich mit der Lehre, der Forschung und den allgemeinen Arbeitsbedingungen beschäftigen. Aus verschiedenen Gründen anonymisieren wir die Interviews, so konnten die Gefragten offen sprechen und bestimmte Antworten können nicht auf Studierende zurückgeführt werden, die an genannten Kursen teilnahmen, wenn z. B. Probleme geschildert werden. Wie bei den anderen Artikeln (Studierende, Museen, Grabungsfirmen)  aus der Reihe ist wieder zu beachten, dass hier nur wenige subjektive Einschätzungen angeführt werden, die also nicht für jede Uni oder jede:n Dozierende:n gelten können. Außerdem ist die pandemische Situation sehr wechselhaft, sodass die Interviews eben auch nicht auf jede Phase der Pandemie übertragbar sind.

Dennoch bieten die folgenden Ausführungen gute Einblicke, in die Herausforderungen, die Dozierende zu bewältigen haben. Wir hoffen, dass wir mit den Texten auch einige der zu bewältigenden Schwierigkeiten transparent machen können. Damit möchten wir anregen sich mit den Positionen und Schwierigkeiten auseinanderzusetzen, aber auch aufzeigen, dass wir alle mit unserer Unsicherheit und Schwierigkeiten nicht alleine sind.

Wir glauben, dass diese Reflexion zu einem solidarischen Umgang miteinander in der Pandemie beiträgt.

Lehre

Durch die Umstellung von analoger auf digitale Lehre änderte sich der universitäre Unterricht massiv. Am besten funktionierte dies bei den Vorlesungen, da sie prinzipiell nicht so interaktiv angelegt sind. Jedoch – und das wissen wir alle – sind digitale Formate und Vorträge ermüdender, auf beiden Seiten. Bei Seminaren und Übungen verschlechterte sich die Durchführbarkeit sowie der didaktische Erfolg, darin stimmten die Interviewten überein. Denn die Vor- und Nachbereitung dieser Veranstaltungen benötigte deutlich mehr Aufwand als analoge Lehre. Jedoch ist festzustellen, dass mittlerweile eine Routine in die Gestaltung der Lehrveranstaltungen gekommen ist, sodass sie sich der Normalität zumindest angenähert hat. Es mussten schnell Wege gefunden werden, wie interaktive Übungen, z. B. Lektürediskussionen oder Fundbestimmungen sinnvoll digital funktionieren. Das heißt, es konnte keine langfristige, durchdachte Digitalisierungsstrategie angewendet werden, sondern es mussten ‘Notfallpläne’ her. Die Interviewten gaben an, dass sie versuchten kleinere Gruppen von Studierenden zu bilden, um dadurch Gruppenarbeit und Chat-Diskussionen überhaupt erst möglich zu machen. Dennoch gilt grundlegend, dass eine Abbildung nie an das Halten und Wahrnehmen eines echten Fundes herankommen kann. Dass die Abbildungen verkleinert auf den Bildschirmen der Studierenden erscheinen und nicht durch Beamer vergrößert, kommt erschwerend hinzu. Hier sind 3D-Scans sicherlich eine Besserung – leider scheinen sie meist noch nicht in der Lehre angekommen zu sein. Trotzdem können auch diese keinen Ersatz für direkte Auseinandersetzung mit Funden sein, ebenso fallen leider Geländeübungen und Exkursionen aus. Bemängelt wurde außerdem, dass die Kürzung des Semesters und der langsamere Fortschritt im ‘Lehrplan’ in den digitalen Veranstaltungen dazu führt, dass einige Inhalte wegfallen müssen. Uns wurde aber auch geschildert, dass eine vorgegebene Strukturierung mit Weg- und Zielpunkten für Seminare hilfreich ist und gut angenommen wurden (z. B. bis wann eine Bibliographie erstellt sein soll). Zudem wurde auch festgestellt, dass der interpersonelle Kontakt bei digitalen Formaten schwieriger ist und darunter leiden die Atmosphäre sowie der Austausch. Das haben uns auch die Studierenden bestätigt. 

Die Kontaktformen zwischen Dozierenden und Studierenden mussten ebenfalls angepasst werden. Logischerweise verlagerte sich viel auf Mails und digitale ‚Meetings‘. Da die allermeisten Studierenden technikaffin sind, funktionierte die Kommunikation gut. Aber es wurde auch festgestellt, dass somit die Kluft zwischen ‚engagierteren‘ und ‚zurückhaltenderen‘ Studierenden größer wurde, da letztere noch schwerer zu greifen waren als sonst. Hierbei wurde betont, dass das nicht nur auf verschiedene Leistungs-/Motivationsniveaus zurückzuführen ist, sondern dass ebenso Persönlichkeit und psychische Probleme eine Rolle spielen. Also, nicht gleich abtun oder verurteilen, sondern ruhig einmal mehr nachfragen – kann nicht schaden. 

Darüber hinaus wurde angemerkt, dass sich die Kommunikation durch Email, Webkonferenz oder Telefon weitgehend nur auf den professionellen Rahmen beschränkt.

Die lockeren Gespräche, die sonst auf dem Gang, nach einer Veranstaltung oder auf einer Institutsfeier zustandekommen, fehlen im digitalen Austausch. 

Wir fragten auch nach der Rezeption der digitalen Lehre durch die Studierenden. Selbstverständlich ist es sehr gefiltert, was die Dozierenden als Feedback bekommen. Dennoch ist die Bilanz eher positiv – angesichts der Umstände. Es wird viel kommuniziert, man ist flexibel, es wird wertgeschätzt, wenn sich die Dozierenden Mühe geben. Auf der anderen Seite gibt es Kritik, die sich aber auf die schon genannten Probleme der digitalen Formate bezieht. Die Anwesenheitsquoten sind gleich geblieben oder haben sogar zugenommen. Grund dafür dürfte sein, dass es eine recht geringe Hürde ist, sich von zu Hause aus in eine Veranstaltung einzuloggen. Zu Anwesenheitspflichten und Anwesenheitskontrollen gab es unterschiedliche Angaben, die also von Institut zu Institut unterschiedlich sind. Auch die Absagedisziplin wurde als gut wahrgenommen, wobei neue Absagegründe wie Internetprobleme hinzugekommen sind.

Man kann nur hoffen, dass diese Erfahrungen mehr Dozierende dazu bringen, gute Präsenzlehre wertzuschätzen und nicht nur Frontalunterricht zu praktizieren mit Vortrag nach Vortrag und ohne Diskussion oder Austausch.

Forschung

Zum Thema Forschung wollten wir wissen, inwieweit diese sich durch Corona verändert hat und wie sich die Situation auf die zeitlichen Kapazitäten für Forschungsvorhaben auswirkte. Pauschale Antworten sind hier noch weniger möglich als ohnehin schon, da hier die persönliche Lebenssituation eine entscheidende Rolle spielt. Zum Beispiel sind Menschen mit Kindern zusätzlich in deren Betreuung eingebunden, dies beißt sich leider oft mit den Ansprüchen an eine wissenschaftliche Karriere (dieses Problem ist schon länger bekannt, insbesondere für Frauen, nur wird es durch die Krise deutlicher). Hoffentlich kann auch dieser Aspekt dazu führen, dass nach der Krise adäquatere Lösungen gefunden werden – vor allem Kinderlose sollten ein bisschen mehr darüber nachdenken, wie man in der wissenschaftlichen Community solidarischer mit jungen Eltern umgehen kann (und da fassen wir uns auch an unsere eigene Nase).

Das Feedback, welches wir erhalten haben, war zwiegespalten: zum einen ist weniger Zeit für Forschung geblieben, denn die Lehre bedarf mehr Aufwand und – wie erwähnt – viele müssen ihre Kinder betreuen. Auf der anderen Seite ist ein ruhiges Arbeiten möglich, insbesondere, wenn es um Auswertung, Schreiben oder Antragstellung geht. Bei manchen nahmen die Aufgaben in den Bereichen Reviews und Antragstellung zu. Datenerhebung, sei es durch Grabungen, im Depot oder im Labor, ist weitaus schwieriger geworden. Darüber hinaus gestaltet sich die Planung und Durchführung von forschungsbezogenen Auslandsaufenthalten derzeit schwierig, was wissenschaftliches Arbeiten in entsprechenden Fällen erschwert.

Der Zugang zu Literatur ist für die Befragten weitestgehend problemlos. Entweder haben sie als Angestellte Zutritt zu den Bibliotheken oder die Bibliotheken haben gut funktionierende Leih- und Scandienste aufgebaut. Außerdem sind mittlerweile nicht wenige Zeitschriften digitalisiert und frei zugänglich, auch wenn es oft nur die jüngeren Jahrgänge sind. Von Personen ohne Zugang zu Bibliotheken wurde angegeben, dass diese als Platz des konzentrierten Arbeitens fehlen und dadurch die Literaturbeschaffung, wenn auch nicht unmöglich, doch zumindest erschwert ist.

Ob die Arbeit im ‚Home Office‘ wirklich so idyllisch ist, bleibt fraglich… (https://www.pexels.com/photo/young-lady-using-laptop-at-table-in-modern-workspace-4050320/)

Arbeitsbedingungen/Universität

Zuletzt sollte der Fokus auf die Dozierenden als Lohnarbeiter:innen gerichtet werden.

Die Universitäten waren am Anfang der Krise ähnlich überfordert wie die Politik. Es gab viele, sehr kurzfristige Entscheidungen, die eben auch die Lehre betrafen, was es für die Angestellten etwas unübersichtlich machte. Die Kommunikation von oben nach unten lief keineswegs optimal, mal gab es keine konkreten Angaben, wie bestimmte Dinge umzusetzen sind, mal wurde auf Nachfragen lange nicht geantwortet (z. B. unter welchen Bedingungen Lehrgrabungen möglich wären). Da auch die Verwaltung im ‚Home Office‘ ist, ist häufig die Kommunikation erschwert, besonders wenn es darum geht, wer für was zuständig ist. Mittlerweile verläuft die Weitergabe von Informationen z. B. durch regelmäßige Updates verschiedener zentraler Instanzen per Rundmail an einzelnen Unis besser, was zu einer relativen Planungssicherheit – zumindest für mehrere Wochen – führt. Interviewpartner:innen, die an mehreren Unis unterrichten, haben gemerkt, dass es teilweise sehr unterschiedliche Kommunikationsstrategien gab.

Hinsichtlich ‚Home Office‘ zeigen die betreffenden Universitäten und Institute große Flexibilität. Auch die technischen Lösungen mit VPN-Servern funktionieren in der Regel gut. Oft wurde die schnelle Aufrüstung von Software und infrastruktureller Hardware gelobt, die an einigen Unis anscheinend sehr schnell vollzogen wurde.

An anderer Stelle gab es jedoch Kritik gegenüber der Unterstützung durch die Universitäten. Manche haben kein Hardwareequipment gestellt bekommen, manchen wurde bei IT-Problemen nicht geholfen. Letzteres führte auch dazu, dass diese IT-Aufgaben oft auf den Mittelbau umgelagert wurden (z. B. bei der Betreuung von nicht technikaffinen Profs). Es wurde für selbstverständlich erachtet, dass der Mittelbau mehr Arbeit übernimmt.

Vielen Dank an unsere Interviewpartner:innen!

Wenn Ihr auch im akademischen Mittelbau arbeitet, lasst uns doch gerne wissen, welche Erfahrungen ihr gemacht habt (gern an kontakt@anarchaeologie.de)! Bleibt gesund und solidarisch!

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