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Corona und Archäologie – Quo vadis? (Teil 2)

In dieser Reihe wollen wir uns mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Archäologie in Deutschland befassen. Dabei sollen verschiedene Perspektiven eingenommen werden, da zum einen das Fach vielseitig und vielschichtig ist, aber eben auch die Krise nicht aus einem Blickwinkel zu erfassen ist.

Im ersten Teil ging es um die Museen. Nun wollen wir der Situation der Studierenden Raum geben.

Studierende (im Sommersemester 2020)

Die Covid-19-Pandemie und der Umgang mit dieser hat an Universitäten den gesamten Betrieb im Schnelltempo auf den Kopf gestellt und dazu gezwungen die flächendeckend verschlafene Digitalisierung von Lehre, Lehrinhalten und Literatur offensiv anzugehen.

Was genau vor einem Jahr beinah undenkbar schien, ist nun eingetreten: das Sommersemester 2020 fand überwiegend in digitaler Form statt. Das aktuelle Wintersemester wird an den meisten Unis mit einer ‘Hybridlehre’ begonnen, also eine Mischung aus Präsenz und digitaler Lehre. Es wird sich zeigen, wie praktikabel das wirklich ist.

Was zunächst mach- und stemmbar erschien und den Studierenden auf den ersten Blick mehr Freiheit zu bieten schien (überspitzt gesagt: von zuhause auf dem Sofa ganz gemütlich der Vorlesung lauschen), stellte sich schnell als große Herausforderung dar. Der Zugang zu den Bibliotheken war teilweise nur schwer bis gar nicht möglich. Die Finanzierung des Studiums stand für viele auf der Kippe, die sich mit Nebenjobs über Wasser halten, da typische Nebenjobbereiche komplett schließen, teilweise schließen oder Mitarbeiter*innen entlassen mussten. Zwar wurde eine Nothilfe für Studierende eingerichtet, aber diese kam entweder als Information nicht an oder stellte sich in der Umsetzung als kompliziert heraus. Auf der anderen Seite ist ein Kredit natürlich auch ein Fallstrick, da man sich verschuldet.

Was macht universitäres Leben aus?

Im Zuge des Sommersemesters 2020 konkretisierte sich die Frage ”Was macht Universität und universitäres Leben aus?”. Lehre lässt sich auch digital abhalten und hat vielerorts in Angesicht der mangelnden Umstellungszeit erstaunlich gut funktioniert. Aber wie kommen die Studierenden damit zu Recht, dass die Universität als Lebensmittelpunkt vieler auf unbestimmte Zeit wegfällt? Was leidet darunter, wo lassen sich neue Räume kreieren und wie lässt sich das möglichst Beste aus der Situation herausholen?

Eine Umfrage des Tagesspiegels ergab: “Doch auch das Studium an sich hat gelitten. 44,5 Prozent der Befragten besuchten weniger Lehrveranstaltungen als im vorangegangenen Präsenz Semester. Als Grund dafür gaben gut 40 Prozent an, dass ihre Arbeitsbelastung im Digital Semester höher sei, knapp 39 Prozent hatten „mehr Ablenkungsfaktoren“ und ein weiteres Drittel vermisste die gewünschten Lehrveranstaltungen. Technische Probleme waren nur für knapp 14 Prozent ausschlaggebend. Allerdings gaben auch 36,6 Prozent an, genauso viele Lehrveranstaltungen wie zuvor besucht zu haben, bei 15,6 Prozent waren es sogar mehr. Letztere führten dies vor allem darauf zurück, dass sie digitale Vorlesungen und Seminare flexibler in ihren Alltag integrieren können (50 Prozent) oder keine Anreisezeiten zur Uni hatten (47,3 Prozent).”

Wir haben mit einigen Archäologie-Studierenden über die Auswirkungen der Pandemie gesprochen und möchten die Antworten in anonymisierter und zusammengefasster Form mit euch teilen. Bei diesem Artikel gilt ebenso, dass wir die Situation als fortlaufend und dynamisch betrachten. Das heißt, hier ist nur ein Stand der Dinge wiedergegeben und wir werden den Beitrag im Laufe des neuen Semesters aktualisieren. Außerdem haben Folgende Einblicke keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit, sondern geben eben nur die Antworten wieder, die wir erhalten haben.

So sah es in vielen Hörsälen aus… (Quelle: wiki)

Anarchaeologie: Vor welchen Problemen und Herausforderungen steht Ihr als Studierende durch die Corona-Pandemie in Eurem Studium?

Genannt wurde zum einen, dass einige Kurse, die direkte Präsenz erfordern (meist Methodenkurse) weggefallen sind. Das Fehlen des direkten analogen Kontakts mit Kommiliton:innen und Dozent:innen in Seminaren, Vorlesungen, auf dem Flur oder in der Mensa wurde mehrfach als demotivierend angesprochen. Hier zeigt sich die Relevanz der sozialen Sphäre von Universitäten sehr deutlich. Auch der eingeschränkte Zugang zu Bibliotheken (meist nur wenige Stunden buchbar pro Person) wurde als einschränkend beschrieben. Archäologie ist leider ein Fachgebiet, in dem die Digitalisierung von Büchern und Artikeln noch nicht so weit fortgeschritten ist, wie es gerade die aktuelle Situation erfordert, das heißt, dass für viele Themen der Gang in die Bibliothek unabdingbar ist. Hier wurde auch kritisiert, dass Studierende andere Fächer unsolidarisch unsere, meist sehr wenigen Bibliotheksplätze besetzen, ohne dass sie tatsächlich die Bücher nutzen würden und unsere Notwendigkeit einsehen würden, dass wir sie brauchen. Allerdings berichteten uns viele Kommilton:innen, dass die meisten Bibliotheken mittlerweile gute Lösungen etabliert haben, insbesondere was Ausleihe von Büchern angeht. Da Studium zu einem großen Teil aus Selbststudium und somit Motivation besteht und Archäologie als Geisteswissenschaft Raum und Zeit zum freien Denken erfordert, fällt es nicht wenigen Studierenden zur Zeit schwerer als sonst Motivation aufzubringen, da sonstige Belastungen zugenommen haben. Bedauert wurde auch, dass Praktika (Grabungen und Museumsarbeiten) auf der Kippe standen oder ganz wegfielen – auch wenn es hier einige Ausnahmen gab und gibt. Zum Beispiel bietet das DAI digitale Praktika an. Trotz der hier genannten Aspekte gab es auch viel Lob für die Umsetzung digitaler Lehrformate. 

Anarchaeologie: Nach einem Semester digitaler Lehre, was ist Euer bisheriges Zwischenfazit? Was läuft gut, was läuft schlecht, was fehlt?

Ob digitale Lehrangebote funktionieren oder nicht, hängt sehr stark von den Fähigkeiten und dem Willen der Dozierenden ab. Das gilt natürlich für jede Form von Lehrveranstaltungen , kommt im Digitalen aber stärker zum Tragen, da neue didaktische Ansätze (die an der Uni leider sowieso oft fehlen) und Kreativität notwendig sind. Wie bei der vorherigen Frage schon angeklungen ist, stellen Übungs- bzw. Praxisveranstaltungen (Bestimmen, Zeichnen usw.) besondere Schwierigkeiten dar. Eine zweidimensionale Abbildung kann eben nie ein originales Objekt ersetzen (auch 3D-Techniken können keine haptischen Eindrücke liefern). Möglicherweise müssten einheitliche Richtlinien für Dozierende geschaffen werden, damit diese einen besseren ‘Fahrplan’ haben. Es ist klar, dass die digitale Version des Semesters quasi notwendig war, um den Lehrbetrieb aufrecht zu erhalten. Aber sicher ist auch: online im Chat ist die zwischenmenschliche Ebene, die Diskussionen und Austausch befördert, stark eingeschränkt. Neben der Kritik wurde aber von vielen Kommiliton:innen betont: insgesamt haben sich die Unis und die Dozierenden viel Mühe gegeben, sodass Vorlesungen und Seminare trotzdem stattfinden konnten. Aber der Tenor ist dennoch: Präsenzlehre ist besser als digitale Lehre.

Anarchaeologie: Wie gestaltet sich aktuell das Verhältnis Studierende-Dozierende?

Überraschenderweise wurde angegeben, dass die Kommunikation über Mail sehr gut funktioniert (sonst musste man froh sein, wenn ein Professor nach der dritten Mail einmal antwortet). Wie immer kommt es aber darauf an, wie die jeweiligen Dozierenden eingestellt sind. Das Spektrum reicht von solidarischer Unterstützung bis hin zu Gleichgültigkeit ob der schwierigen Situation, in der sich einige Studierende befinden.

Anarchaeologie: Schaffen Dozierende und Institute aktiv Unterstützung bei Schwierigkeiten?

Der Großteil der Dozierenden scheint aber eher entgegenkommend zu sein. Einige Kommiliton:innen berichteten uns von großem Verständnis hinsichtlich persönlicher oder technischer Probleme. An mindestens einem Institut gab es sogar einen Laptopverleih.

Anarchaeologie: Wie stark wirkt sich die aktuelle Situation auf die Länge des Studiums aus?

Hier gab es keine einheitlichen Antworten, sie reichten von ‘etwas’ bis ‘sehr stark’. Jedoch gab niemand an, dass es keine zeitliche Nachteile gäbe. Tendenziell verzögern sich also die Abschlüsse, einerseits weil die Verwaltungen neue oder andere Hürden aufgebaut haben bzw. geschlossen sind. Andererseits gibt es Verzögerungen, weil einige Kurse ausgefallen sind.

Anarchaeologie: Wie wird die aktuelle Informationspolitik der Universitäten empfunden?

Mit sechsmal ‘gut’ und zweimal ‘mäßig’ als Antwort scheinen die Kommiliton:innen eher zufrieden zu sein. Kritisch angemerkt wurde, dass die Informationen bzw. die Beschlüsse immer sehr kurzfristig und schnell wechselnd sind, was teilweise unübersichtlich ist. Dies ist aber vermutlich durch die Natur der Krise bedingt.

Anarchaeologie: Wird vermehrt das Studium abgebrochen?

Hierzu konnte kein:e Kommiliton:in Angaben machen. Man wird auf statistische Erhebungen warten müssen.

Anarchaeologie: Ist eine Finanzierung des Studiums derzeit möglich?

Teilweise ist dies problemlos möglich, teilweise mit erhöhtem Aufwand bei unseren Interviewpartner:innen. Dank der Regelstudienzeitverlängerung liefen auch die Bafög-Unterstützungen weiter, einige hatten mit ihrem Nebenjob ‘Glück’ und wurden nicht gekündigt. Anscheinend meldete sich bei uns niemand aus dem Gastronomiebereich, dort ist davon auszugehen, dass weitestgehend alle Nebenjobber:innen ihre Lohnarbeit verloren haben. Dass die Finanzierung eines Studiums für viele, trotz Bafög, schwierig ist, steht außer Frage.

Anarchaeologie: Hilft die staatliche Sofort-Hilfe Euch als Studierende?

Viele Studierende haben Kredite aufgenommen, um über die Runden zu kommen. Sie haben also aus Not ‘in den sauren Apfel’ gebissen und sich verschuldet. Wozu diese Studienverschuldung führen kann, zeigt das US-amerikanische Universitätssystem deutlich. Auf der anderen Seite war in unseren Interviews überraschend, dass viele gar nicht von den Hilfspaketen wussten.

Anarchaeologie: Fallen HiWi-Stellen oder andere Jobs weg?

Hier gab es kein klares Bild. Es ist aber anzunehmen, dass HiWi-Stellen eher nicht von der Krise betroffen sind. Ausnahmen dürften jedoch HiWi-Stellen auf Grabungen gewesen sein, welche nicht stattfinden konnten.

Wir hoffen, mit diesen Fragen, die Hauptproblemfelder von Studierenden der archäologischer Fächer erfasst zu haben. Unser Ziel war es selbstverständlich auch, auf diese Probleme aufmerksam zu machen. Wenn ihr andere Erfahrungen gemacht habt, teilt sie uns gerne mit (kontakt@anarchaeologie.de)! Wie gesagt, werden wir uns am Ende des laufenden Semesters erneut mit dem Thema auseinandersetzen, um so möglichst auch die Perspektive von Studienanfänger:innen einfangen zu können.

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2 Gedanken zu „Corona und Archäologie – Quo vadis? (Teil 2)“

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