“Archäolog:in – das wollt’ ich auch mal werden!” Das bekommen wir Archäolog:innen häufig zu hören, wenn wir unseren Beruf erwähnen. Dabei liegen Vorstellung und Realität oft weit auseinander, wie die Graphic Novel “Pfostenloch” sehr realistisch darstellt. Die Graphic Novel wurde von Daniela Heller sowohl gezeichnet, als auch geschrieben und ist 2022 im avant-Verlag erschienen. Sie gibt einen Einblick in eine archäologische Ausgrabung und begleitet eine Protagonistin durch ihr Grabungspraktikum. Dabei wird schnell klar, dass längst nicht alles Gold ist, was glänzt und man eigentlich auch nie Gold findet. Es gab zahlreiche Momente, die sicherlich alle Archäolog:innen kennen, dabei werden auch die unangenehmen, unfairen und düsteren Momente der Feldarbeit hervorgehoben. Wir werden unsere Buchbesprechung vor allem aus unserer Perspektive als Archäolog:innen schreiben.
In Romanen wird der Fantasie der Lesenden die komplette Bilderwelt überlassen, bei Graphic Novels ist das anders, hier bekommt man die bildliche Ebene gleich mitgeliefert. In “Pfostenloch” hat uns besonders gefallen, wie diese Möglichkeit genutzt wird, um die Geschichte zu erzählen. Durchweg stützen die Illustrationen die Geschichte und geben ihr Tiefenschärfe. Der Stil von Daniela Heller ist humorvoll und sehr ansprechend.
Scheinbar nebenbei werden viele Grundlagen der Feldarbeit vermittelt – sei es die Geschichte des Pfostenlochs oder Grabungstechnik. Bitte, liebe Lesende, nehmt euch das Rauchen im Schnitt nicht zum Vorbild! 😉 Es wird deutlich gezeigt, welche Bedingungen oftmals auf Grabung herrschen. Seien es fehlende Duschen und Klos oder wochenlanges Schlafen im Zelt und jeden Tag Grillkäse zum Abendessen.
Besonders zentral ist aber die schonungslos ehrliche Darstellung des Grabungsalltags und die Angst, was nach dem Studium oder der befristeten Stelle kommt. So wird beispielsweise die Konkurrenz um rare Stellen thematisiert, an der nicht selten Machtpositionen ausgenutzt werden und Freundschaften zu zerbrechen drohen.
Trotzdem lassen sich in der Geschichte auch immer wieder Ansätze von Solidarität zwischen den Freundinnen erkennen, die aber durch den enormen Druck der eigenen Zukunft leider oft im Keim erstickt werden. Wir hätten uns natürlich “erfolgreiche” Solidarität zwischen den Freund:innen gewünscht, aber dafür ist die Graphic Novel zu ehrlich.
“Pfostenloch” ist kein Kinderbuch oder Schulbuch, das Archäologie erklärt. Es richtet sich vor allem an Leute, die Archäologie studieren oder studiert haben. Denn das gesamte Setting ist eine universitäre Forschungs-/Lehrgrabung. Da einige Dinge nicht näher erklärt werden, können wir uns vorstellen, dass es für Laien nicht immer nachvollziehbar ist – was aber auch nicht das Ziel des Buches ist. Aber wir denken, es ist wichtig, sich diesen Aspekt vor dem Lesen zu vergegenwärtigen. Es ist eben ein kleiner Ausschnitt aus der großen und vielfältigen Collage, die die Archäologie ausmacht. Dafür ist die emotionale und ästhetische Tiefe umso ergreifender, wenn man das genannte Setting kennt: nämlich genau weil nahezu jede:r Archäologie-Student:in die Erfahrung solcher Grabungskampagnen gemacht hat.
Trotz der realistischen Ehrlichkeit der Handlung, ist es keine Abrechnung mit der akademischen Archäologie oder eine Resignation. Das Buch schafft es sehr gut, die schönen (manchmal sogar romantischen) Seiten der Archäologie, wie man sie nur auf solchen Grabungskampagnen erfährt, mit der Unerbittlichkeit der späteren Karriere-/Jobkonkurrenz zu verbinden. Hier und hier haben wir ein paar Aspekte zu diesem Problemfeld zusammengefasst.
Insgesamt hat uns die Graphic Novel sehr gut gefallen. Daniela Heller schafft es nicht nur, die Lage von vielen jungen Archäolog:innen, sondern einer ganzen Generation an jungen Wissenschaftler:innen im Prekariat, sehr plastisch und ehrlich darzustellen. Schön fanden wir, wie die einzelnen Charaktere und die Stimmung in der Archäologie getroffen werden, die wir wohl alle kennen. Die Sichtbarmachung von konkreten Situationen aus dem Alltag bringt auch eine politische Dimension in die Geschichte, hier haben die konkreten Handlungsansätze dagegen gefehlt – was aber leider auch der Realität entspricht. Also sehen wir die Sichtbarmachung mal als Anreiz, uns für eine herrschaftsfreie und solidarische Archäologie einzusetzen.